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Bericht des Sergeanten Feesche

Ein Bauernsohn im Ersten Weltkrieg

 

"Bursche" Sergeant Feesche als Überbringer der Todesnachricht seines Vorgesetzten Rittmeister von Hammerstein an dessen Familie

23. Januar 1918

Zu meinem Bedauern muss ich Euer Hochwohlgeboren die traurige Mitteilung machen, daß mein lieber guter Rittmeister tot ist. Wir lagen in der Stadt Wassigny und da lagen auch Flieger. Und nun wollte Herr Rittmeister auch gerne mitfliegen. Ich sagte es ihm noch ein paar Mal, er möchte doch nicht fliegen, aber Herr Rittmeister ritt mit. Nun kreisten sie zweimal um die Stadt, dann wollten sie herunterkommen. Wie sie auf 300 bis 500 Meter waren, da stellten sie Gleitflug an, und da versagte der Motor, das Flugzeug überschlug sich, und so krachte es zu Boden und Herr Rittmeister und Herr Leutnant lagen unter dem Flugzeug. Wie dann das Flugzeug umgedreht wurde, da war Herr Rittmeister schon tot; der Leutnant schwer verwundet, starb am Abend. 

Ich habe Tag und Nacht geweint; wie manchen Schritt haben wir in diesen Kriegsjahren zusammen gemacht und wie manche Nacht. Ich hab schon zwei tage nichts mehr gegessen, ich kann den Schreck nicht vergessen, er war mein Ein und mein Alles, er steht mir immer vor Augen. 

Zur Zeit auf Urlaub in Bennemühlen, Post Elze, 
den 02. Mai 1918

Am 02. August 1914 rückte ich mit Herrn Rittmeister Freiherr von Hammerstein als Bursche ins Feld. Wir machten Vormarsch auf Paris. Da es nun hauptsächlich auf Patrouillenreiten ankam, so nahm auch ganz besonders Herr Rittmeister teil. Die meisten und schwierigsten Patrouillen hat wohl unser Herr Rittmeister geritten, aber sie fielen glänzend aus. Auch das Königs-Ulanen-Regiment konnte stolz sein, einen solchen Patrouillenführer, den Herrn Rittmeister, beim Regiment zu haben. Herr Rittmeister verlor auf seinen ganzen Patrouillen drei Mann, über die Herr Rittmeister lange trauerte; denn jeder Mann in der Schwadron, der stand zu Herrn Rittmeister als sein bester Kamerad. Auch wo Herr Rittmeister den Leuten den Dienst erleichtern konnte durch Aufmunterung und frohen Mut, da tat er es und so ging jeder gern mit Herrn Rittmeister. Wenn wir Ruhe hatten, dann ging Herr Rittmeister gewöhnlich zur Jagd und sorgte für die Herren Offiziere und für die Leute. 

Ich ging Herrn Rittmeister treu zur Seite, wo ich Herrn Rittmeister nur dienen konnte. Manche Freude hat Herr Rittmeister dem Regiment erwiesen durch sein forsches Vorgehen und seine Leistungen. Auch konnte ich jeden Schritt beim Herrn Rittmeister an der Seite sein. Auf dem Vormarsch durch Belgien verloren wir an einem Tage einmal beide unser Pferd. Herr Rittmeister nahm sich gleich eins vom Regiment, doch für mich war keins mehr da, aber ich kam doch an die Seite; das Regiment war nun weg und ich meldete mich bei einer Garde-Division, wo ich 8 Tage war und ein Gefecht mitmachte; bei diesem Gefecht nahm ich zwei englische Offiziere und den Burschen gefangen; selbige hatten noch sehr gute Pferde bei sich. Nun brachte ich die Gefangenen zum Regiment, bat zugleich den Kommandeur, ob ich die Pferde nicht behalten könne, da ich bei Herrn Rittmeister Hammerstein als Bursche wäre, und es wären unsere Pferde erschossen. Auf meine Bitte genehmigte der Herr Kommandeur es, und nun machte ich mich auf den Weg zu meinem Herrn Rittmeister; nach drei Tagen kam ich an; Herr Rittmeister war gerade beim Essen, aber vor Freude konnte Herr Rittmeister nicht mehr essen, daß ich wieder da war und brachte noch solche guten Pferde mit. Herr Rittmeister war schon besorgt um mich und dachte, ich wäre in Gefangenschaft; aber nun konnten wir den Vormarsch weiter zusammen unternehmen.

Auch auf dem Rückzuge in Frankreich hat Herr Rittmeister mit großem Erfolg gewirkt. Am 10. November 1914 wurde unser Regiment dann verladen und kam nach Rußland. Auch hier dauerte es nicht lange, da kriegten wir Vormarsch, wobei Herr Rittmeister sich dann auch wieder hervorragend auszeichnete durch Patrouillen, die mit Bewunderung betrachtet wurden. Eines Tages hatte Herr Rittmeister eine Patrouille von 28 Mann, es war bei Lodz. Hier hatten sich die Russen festgesetzt; mit diesen 28 Mann brachte Herr Rittmeister zwei Maschinengewehre und 563 Mann ein. Welch eine wunderbare Tat und Freude für Herrn Rittmeister und fürs Regiment! Auch ein jeder, der mit Herrn Rittmeister Patrouillen geritten hat und ihn gekannt hat, wird Herrn Rittmeister nie vergessen können in seinem Leben.

Am 26. März 1915 wurde Herr Rittmeister vom Königs-Ulanen-Regiment wegversetzt. Aber ich blieb bei Herrn Rittmeister, wo Herr Rittmeister noch die Worte sagte: "Feesche, verlaß mich nicht, Du kommst mit!" Wie wir nun weg machten, da war die 4. Eskadron angetreten; mit Tränen gab Herr Rittmeister seinen stolzen Kampfbrüdern die Hand und dann wurde das Lied gesungen: "Ich hat einen Kameraden, einen bessern find`st Du nicht." 

Nun kamen wir zum Kavallerie-Schützen-Regiment 88. Hier übernahm Herr Rittmeister die erste Eskadron. Auch hier wurde Herr Rittmeister bald dem Regiment bekannt. Nun kamen wir in Stellung, auch hier dauerte es nicht lange, da mußten sich die Russen zurückziehen. Einmal hatten an einer Stelle die Russen sich festgesetzt, es war vor der Pilitza, - nun kommandierte Herr Rittmeister zum Vorgehen und so sprang Herr Rittmeister ins Wasser. Auch ich folgte Herrn Rittmeister und so auch die ganze Schwadron, nun mußten die Russen aus dem Graben heraus, konnten aber nicht nicht mehr so schnell weg, und so fielen 140 Mann und zwei Maschinengewehre in unsere Hände. Auch dieses wurde Herrn Rittmeister für eine große Tat bei der Division angerechnet. An dem großen Vormarsch von Kowno nach Rowo-Alexandrowsk nahm Herr Rittmeister ebenfalls teil. Auch da leistete Herr Rittmeister wieder großartige Patrouillen, wobei Herr Rittmeister auch nachher das ganze Regiment zur Verfügung bekam. Nun ging Herr Rittmeister mit dem Regiment durch die ganzen Wälder und Sümpfe zum Fußgefecht vor; auch dieses erregte ein großes Ansehen bei der Division. Wie oft sagte Herr General von Menges: "Hätten wir unsern Herrn Rittmeister von Hammerstein nicht, wie würde es uns gehen?"

Auf seinen Patrouillen brauchte der Herr Rittmeister fast nie Karten; er wußte immer Bescheid. Ich war immer bei ihm. Er hatte die größte Fürsorge für alle Leute. Abends, wenn die Patrouille unter Dach ging, dann mußten sich immer alle schlafen legen, und dann machte Herr Rittmeister selbst Holz klein und machte Feuer an. Meist führte er bei seinen Patrouillen ein Maschinengewehr mit auf einem kleinen Wagen, den er sich selbst hatte machen lassen. Einmal jagten wir mit unserer kleinen Patrouille zwei Schwadronen Kosaken aus einem Gehöft hinaus. Als die Kosaken sahen, wie wenige wir waren, kamen sie von der Waldecke her zurückgesprengt. Wir mußten uns alle vor dem Gehöft in Schützenlinie aufstellen; Herr Rittmeister übernahm in der Mitte das Maschinengewehr, dann ließ er sie bis auf 50 Meter herankommen, und dann schoß er sie mit dem maschinengewehr und wir mit unseren Karabinern so zusammen, daß sie wieder ausrissen. Auf den Jagdgebieten des Zaren bei Stiernewiece schoß der Herr Rittmeister mehrere Hirsche und schickte die Geweihe nach Hause. Einmal bei Las Zondlowicze, am 15. Mai 1915, war der Herr Rittmeister mit seiner Patrouille im Kampf mit russischer Infanterie und einer Schwadron Kosaken. Da kam im Gefecht ein alter starker Eber vor. Den mußte er natürlich gleich schießen und sandte die Stoßzähne nach Hause. Außer dem Eber nahm er in dem Gefecht noch 5 Russen und ein Maschinengewehr. 

Hinter Rowo-Alexandrowsk kam der Stellungskrieg. Im August 1917 wurden Herr Rittmeister und ich versetzt zum Landsturm-Infanterie-Bataillon Darmstadt. Hier übernahm Herr Rittmeister das 3. Bataillon. Auch hier zeichnete sich Herr Rittmeister wieder besonders aus: zwei Stellungen, die von den Russen genommen waren, drängte Herr Rittmeister wieder zurück. Leider konnten wir nur kurze Zeit beim Bataillon sein, da die Division Ende 1917 nach dem Westen kam, und Herr Rittmeister wurde mit versetzt. Hier übernahm Herr Rittmeister das erste Bataillon Infanterie-Regiments 352, war zuvor noch auf Urlaub. Ich kam zu dem Jäger-Regiment zu Pferde Nr. 10 auch von Osten nach Westen. Im Westen traf ich Herrn Rittmeister in der Stadt Wassigny wieder. Wir freuten uns beide, daß wir wieder beisammen waren. Wir lagen in Ruhe, und so gingen wir bald Tag für Tag zur Jagd.

Am Tage vor seinem Tode schoß Herr Rittmeister noch einen Birkhahn. Auf dem Rückwege, als verschiedene Flugzeuge über uns flogen, sagte Herr Rittmeister mir, daß er so gerne fliegen möchte, worauf ich Herrn Rittmeister bat, es doch zu unterlassen: doch meinte Herr Rittmeister, es ginge so schön, ich solle darüber man unbesorgt sein. Der herr Rittmeister war noch nie auf einem Flugzeug geflogen, nur einmal vor vielen Jahren im Freiballon. Der nächste Tag war der 22. Januar. Morgens waren Herr Rittmeister und ich noch erst zur Besichtigung, die glänzend ausgefallen war. Auf dem Rückweg mußten wir an einer Flugstation vorbei, wo Herr Rittmeister noch wieder sagte, daß er mit großer Freude fliegen wollte. Ich bat Herrn Rittmeister nochmals, es doch unterlassen zu wollen, aber Herr Rittmeister hatte es sich fest vorgenommen, und bestieg den Apparat; doch dauerte es kaum eine halbe Stunde, als ich schon wußte, daß mein lieber Herr Rittmeister tot zu Boden kam. Ich kann es ja keinem ans Herz legen, diesen Anblick und Schreck, den ich hatte. Auch nicht ein einziges Wort sagte Herr Rittmeister mehr. Nun brachte ich meinen lieben guten Rittmeister in die Kirche und habe für alles gesorgt. 

Ich kann es ja keinem erzählen, was ich verloren habe. Wie habe ich an meinem lieben guten Rittmeister gehangen, wir sprachen immer plattdeutsch miteinander. Herr Rittmeister hat mich nicht als Bursche betrachtet. Wie hat Herr Rittmeister für mich gesorgt, kein Tag verging, wo wir nicht Freude und Leid miteinander teilten. Der Herr Rittmeister versäumte im Felde nie den Gottesdienst; war kein evangelischer, dann ging er in den katholischen. Ich werde nie in meinem Leben einen so guten Herrn noch kennenlernen, als wie meinen lieben, guten heimgegangenen Herrn Rittmeister, der so für mich gesorgt hat und noch sorgen würde, wenn Herr Rittmeister heute noch lebte. Aber Herr Rittmeister war wohl zu gut für diese böse Welt. Der leibe Gott wollte Herrn Rittmeister bei sich haben. Ich bin überzeugt, daß jeder, der Herrn Rittmeister gekannt hat, sein frühes Hinscheiden beklagen wird. Ich könnte ein ganzes Buch von meinem lieben guten Herrn Rittmeister aufführen, denn in den 3 1/2 Jahren haben wir vieles erlebt; und wie würden wir uns heute freuen, wenn mein lieber guter Herr Rittmeister noch lebte. Auf ein Wiedersehn hoffe ich in Himmelshöh´n.

Zur Erinnerung geschrieben von dem treuen Burschen des Herrn Rittmeisters Freiherrn von Hammerstein-Loxten
Sergeant Feesche

Auszug aus: "Zum Gedächtnis des Freiherrn Ludwig von Hammerstein-Loxten       Haus Loxten, im Mai 1918